Interview: Ich durfte der sympathischen Marathonläuferin Franziska aus Nordhessen einige interessante Fragen für ein neues „Unter Uns-Interview“ stellen...

Hi zusammen! Das Laufen ist einfach faszinierend: «Man spürt den Waldboden unter den Füßen, lauscht dem Bach und dem Vogelgezwitscher und sonst herrscht absolute Ruhe. Fernab von jeglichem Stress und allen Sorgen, die mir das Leben schwer machen. Und wenn ich dann den Berg erklommen habe, stehen bleibe und kurz verschnaufe, genieße ich nur den Moment und das ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl.» So beschreibt Läuferin Franziska das Besondere am Laufen. Ich durfte der sympathischen Marathonläuferin ein paar Fragen für ein neues „Unter Uns-Interview“ stellen. Viel Spaß beim Lesen!

Ideale Gerade: Hi Franziska, woher genau kommst Du und wie läuft es sich in Deiner Heimat?

Franziska: Ich komme aus dem schönen Nordhessen, um genau zu sein vom Edersee. Dort zu wohnen, wo andere Menschen Urlaub machen, ist natürlich schon prima, denn diese Gegend bietet viele, abwechslungsreiche Laufstrecken. So laufe ich gerne mal am Edersee oder ein paar schöne Strecken in und um Bad Wildungen. Allerdings muss ich dazu sagen, dass die meisten Strecken ein relativ bergiges Profil bieten, es sei denn, ich laufe flach an der Eder.

Ideale Gerade: Seit wann läufst Du? Wie bist Du überhaupt zum Laufsport gekommen?

Franziska: Ich laufe regelmäßig seit Dezember 2007. Allerdings habe ich im Sommer 2007 damit begonnen gelegentlich zu joggen. Die Aktivität beschränkte sich jedoch eher auf den Samstagmorgen oder vor der Schule so um 6 Uhr, wo mich niemand sehen konnte. Und falls ich doch jemandem begegnet bin, wäre ich am liebsten ins nächste Gebüsch gesprungen. Heute frage ich mich, weshalb ich mich damals immer geschämt habe. Mit 13 oder 14 Jahren wagte ich meinen allerersten Versuch zu joggen. Ich hatte keine richtigen Sportsachen. Mit Leggings, dickem Pullover und Turnschuhen für 19,99 Euro aus dem örtlichen Schuhgeschäft fühlt man sich nicht sonderlich sportlich. Gerade dann nicht, wenn man nach wenigen hundert Metern fertig ist wie das Männchen hinterm Ofen. Damals war mein Wille einfach nicht stark genug. Zum einen weil ich mich ständig geschämt habe, sobald ich anderen Menschen begegnet bin und zum anderen weil das Laufen für meinen Körper eine einzige Qual war. Und somit hatte sich das Laufen relativ schnell erledigt. Wobei ich dazu sagen muss, dass mir drei Knieoperationen während meiner Jugendzeit das Laufen unmöglich gemacht haben. Denn nicht umsonst war ich drei Jahre vom Schulsport befreit.

Eigentlich bin ich durch meinen Nachbarn zum Laufsport gekommen. Der war ein bisschen verrückt. Er war super sportlich, ist über 300 Marathons gelaufen und auch etliche Ultramarathons über 100 Kilometer. Als Kind fand ich das schon immer toll und habe ihn regelrecht dafür bewundert. Schnell war für mich klar, dass ich zumindest auch einmal einen Marathon laufen möchte.

Franziska unterwegs abseits asphaltierter Straßen und Wege.
Franziska unterwegs abseits asphaltierter Straßen und Wege.

Ideale Gerade: Ob 5 Kilometer, 10 Kilometer, Halbmarathon oder Marathon, Du hast mittlerweile viele Distanzen gemeistert. Welche absolvierst Du davon am liebsten?

Franziska: Am liebsten gehe ich ganz klar bei der Königsdisziplin Marathon an den Start. Da ist es nicht so schlimm, wenn man ein paar Kilometer benötigt, um ins Rennen zu kommen oder wenn man zwischendurch einfach mal ein wenig langsamer läuft, um in Ruhe an einer Getränkestelle zu trinken oder ein Gel zu nehmen. Bei einem 5 Kilometer- oder 10 Kilometer-Rennen muss ich ja schon direkt von Anfang an Vollgas geben und das fällt mir schwer. Beim Marathon oder Halbmarathon tun mir irgendwann die Beine weh. Dann denke ich an etwas anderes, wie z.B. an den Zieleinlauf oder an ein Rennen, bei dem es mir viel schlechter ging und laufe einfach weiter. Beim 5 Kilometer- oder 10 Kilometer-Lauf hingegen kann ich irgendwann nicht mehr. Die Beine sind noch nicht mal schwer, aber ich bin schon aus der Puste und sehe auf der Uhr, wie die Pace immer langsamer wird. Da kann auch der Wille nichts mehr ausrichten und das nervt mich. Und lustigerweise muss ich sagen, dass ich mittlerweile mehr Marathons gefinished habe als 10 Kilometer-Läufe.

Ideale Gerade: Was genau ist für Dich das ganz Besondere am Laufen?

Franziska: Also eigentlich alles. Ich liebe es zu laufen. Ich laufe, wenn es mir gut geht. Ich laufe, wenn es mir schlecht geht. Hauptsache laufen. Dabei komme ich zur Ruhe und kann neue Kraft tanken. Wenn ich gestresst oder von der Arbeit müde bin, schnüre ich die Laufschuhe und danach geht's mir gleich viel besser. Entweder höre ich dabei ein bisschen iPod und schaue mir die Landschaft an oder genieße einfach die Ruhe, das Zwitschern der Vögel oder lausche meinem Herzschlag.

Ich habe hier eine Strecke, die einfach wunderbar ist. Man spürt den Waldboden unter den Füßen, lauscht dem Bach und dem Vogelgezwitscher und sonst herrscht absolute Ruhe. Fernab von jeglichem Stress und allen Sorgen, die mir das Leben schwer machen. Und wenn ich dann den Berg erklommen habe, stehen bleibe und kurz verschnaufe, genieße ich nur den Moment und das ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl.

Wenn ich vom Laufen nach Hause komme, sind für mich alle Dinge gleich viel weniger schlimm und es geht mir viel besser. Laufen ist für mich die beste Medizin.

Ideale Gerade: Zu welcher Tageszeit läufst Du im Sommer am liebsten?

Franziska: Also eigentlich laufe ich am liebsten direkt bei Sonnenaufgang. Zum einen ist es zu diesem Zeitpunkt noch nicht so heiß und zum anderen gibt es doch nichts Schöneres durch eine Landschaft zu laufen, die noch völlig unberührt ist. Rehe, Hasen, Eichhörnchen etc. sind dann in der Morgendämmerung total aktiv. So viele Tiere wie um diese Uhrzeit habe ich tagsüber noch nie gesehen. Außerdem habe ich somit das Laufen für den Tag erledigt und bin fit und bereit für den kommenden Tag.

Laufen macht glücklich! Franziska nach einer Laufveranstaltung.
Laufen macht glücklich! Franziska nach einer Laufveranstaltung.

Ideale Gerade: Wie bist Du auf die Idee gekommen einen Marathon zu laufen?

Franziska: Ich hatte es ja oben schon mal ein wenig angeschnitten. Der Wunsch einmal einen Marathon zu laufen, keimte schon sehr früh in mir. Denn mein Nachbar war Marathonläufer und ich weiß noch genau, dass die örtliche Zeitung einen Bericht über ihn druckte. Ich las den Bericht und fand es einfach faszinierend, wie der menschliche Körper dazu in der Lage sein kann, 42 Kilometer am Stück zu laufen und dabei noch Nahrung sowie Flüssigkeit aufzunehmen. Dass man so lange Strecken zurücklegen und währenddessen noch essen und trinken kann, war für mich kaum vorstellbar. Und somit war für mich auch schnell klar, dass ich ebenfalls Marathon laufen möchte. Zu dem Zeitpunkt war ich etwa 10 Jahre alt.

Ideale Gerade: Wie hast Du Dich auf Deine ersten 42,195 Kilometer vorbereitet?


Franziska: Um ehrlich zu sein, mehr schlecht als recht. Wobei ich auch dazu sagen muss, dass ich viel zu früh einen Marathon gelaufen bin. Ich bin das absolut schlechteste Beispiel und würde niemandem empfehlen, so zu trainieren. Im Dezember 2007, genauer gesagt an meinem 18. Geburtstag, hatte ich nichts Besseres zu tun, als mir zu überlegen, dass ich jetzt tatsächlich für einen Marathon trainieren will. Denn mit 18 Jahren ist man ja erst für einen Marathon in Deutschland zugelassen. Also habe ich direkt angefangen zu trainieren. Nach etwa 400 bis 500 m musste ich das erste Mal gehen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass das Training die ersten Jahre für mich einfach nur die Hölle war. Ich denke, man sollte einfach zunächst mehrere Jahre "normal" laufen und dann einen Marathon in Angriff nehmen.

Jedenfalls weiß ich noch, dass ich am ersten Weihnachtsfeiertag laufen gegangen bin. Immer im Wechsel, gelaufen, gegangen, gelaufen, gegangen, wie es eben so ging. Es müssen etwa 5 Kilometer gewesen sein, aber mir kam es schon vor wie ein Marathon. Währenddessen bin ich auf einen Kumpel und seine Eltern getroffen und ich habe mich zu Tode geschämt. Mein Kopf muss einem Feuerlöscher geglichen haben und ich muss den Eindruck erweckt haben, als wäre ich jetzt gerade wirklich Marathon gelaufen. Tatsächlich wurde ich ein wenig von ihnen belächelt. Das hat mich damals schon getroffen, aber gleichzeitig auch motiviert.

Nachdem ich etwa zwei Monate lang alleine mein Training absolviert hatte, annoncierte die örtliche Presse eine Art Gewinnspiel. Ein Jahr zuvor wurde der Kassel Marathon ins Leben gerufen und passend zu diesem Event bat u.a. der Edertaler Lauftreff einen Marathonstützpunkt an. Bei diesem Projekt sollte man von Trainern für den Marathon fit gemacht werden. Dieses Angebot kam für mich wie gerufen und wenig später war die Bewerbung abgeschickt. Tatsächlich gewann ich auch einen Platz beim Marathonstützpunkt und meldete mich für den Marathon in Kassel an, bevor ich überhaupt eine Stunde am Stück laufen konnte. Somit begann im Februar 2008 die explizite Marathonvorbereitung. Ich trainierte fleißig viermal die Woche und erinnere mich noch daran, wie ich zum ersten mal 10 Kilometer durchgelaufen bin. Ich war so stolz. Es war ein tolles Gefühl. Am Ostersamstag bestritt ich meinen ersten Halbmarathon in 2:03 Stunden in Paderborn. Ich weiß noch genau, dass ich im Ziel mit Schrecken daran dachte, in weniger als drei Monaten die doppelte Strecke zurücklegen zu müssen.

Trotz des intensiven Trainings war ich aus heutiger Sicht nicht optimal vorbereitet. Innerhalb von sechs Monaten von null auf 100 klappt eben nicht perfekt. Mein längster Lauf vor dem Marathon betrug 28 km, wobei ich die letzten vier nur noch gegangen bin, weil die Beine schwer waren wie Blei. Dennoch startete ich am 1. Juni 2008 in Kassel und finishte nach 4:30 Stunden als jüngste Teilnehmerin des Marathons. Dieses Gefühl war gigantisch, als ich über die Ziellinie gelaufen bin und die Zuschauer aufgestanden sind und angefangen haben zu klatschen. Im Ziel kamen nur noch Tränen. Einerseits vor Schmerz und weil mein Körper so ausgezehrt war und andererseits vor Freude. Von diesem Lauf zehre ich noch heute. Bei jedem Marathon denke ich daran, dass die Bedingungen damals viel härter waren. Bereits beim Start an die 30 Grad und keine optimale Vorbereitung und dennoch habe ich es geschafft.

Dazu muss ich an dieser Stelle ebenfalls sagen, dass ich dies zum großen Teil meinem Vater zu verdanken habe. Immer wenn ich irgendwelche Zweifel hatte, sagte er mir, dass der Kopf meine Grenze ist und nicht mein Körper und dass ich es zumindest versuchen soll, denn abbrechen könne ich immer.

Ideale Gerade: Im Oktober wirst Du den München Marathon in Angriff nehmen. Wie sieht Dein Programm bzw. das Training bis dahin aus?

Franziska: Ich muss sagen, dass ich 15 Marathons gebraucht habe, um einen für mich geeigneten Plan zu finden. Und zwar nehme ich die Pläne von www.laufcampus.com und ändere sie ein wenig ab. Die Intervalle mache ich wie vorgegeben, einmal die Woche mache ich einen Tempodauerlauf 5 - 10 Sekunden schneller als das vorgesehene Marathontempo, der dritte Lauf ist "normal" ohne Zeitvorgabe nach Gefühl und sonntags laufe ich lang. Zwei Läufe à 30 km, zwei Läufe à 32 km und zwei Läufe à 34 km, wobei ich beim letzten 34-Kilometer-Lauf nach 22 Kilometern schneller laufe, also mindestens im Marathontempo. Dieser Plan war für mich im April in Hamburg optimal. Somit habe ich nach 3:44 h gefinished und war sieben Minuten schneller als im vergangenen Herbst in Frankfurt. So werde ich jetzt dann demnächst auch wieder trainieren. Aber selbstverständlich dürfen ein paar 10 Kilometer-Läufe sowie Halbmarathons bei den örtlichen Laufveranstaltungen nicht fehlen.

Ideale Gerade: In Zukunft wirst Du vermehrt im Ausland bei Wettbewerben an den Start gehen. Vor allem der Boston Marathon reizt Dich auf besondere Weise. Wieso?

Franziska: Der ursprüngliche Plan lautete mal: "Einmal Marathon laufen und dann nie wieder." Wie man sieht, hat dies nicht funktioniert. Ich bin bereits 16 mal Marathon gelaufen, 5 mal davon in Kassel und 5 mal in Frankfurt. Jetzt brauche ich Abwechslung. Immer nur innerhalb von Deutschland zu laufen, gibt mir nichts mehr. Ich finde man kann einen Marathon schön mit einem Kurzurlaub verbinden. Die Städte Salzburg, Wien, Stockholm, Basel, Zürich oder Paris sollen einen bezaubernden Marathon veranstalten. So kann man z.B. Freitag oder Samstag anreisen, Sonntag laufen und ein paar Tage die Stadt anschauen.

Boston fand ich schon immer toll, weil die Strecke sehr schön sein soll. Die ländlichen Gegenden von Massachusetts und die Innenstadt von Boston finde ich einen spannenden Mix. Außerdem ist die Strecke kein Rundkurs. Man läuft von außerhalb in die Bostoner Innenstadt. Zudem hat so ziemlich jeder namhafte Läufer diesen Marathon bereits bestritten.

Vielen herzlichen Dank für Deine Zeit und Deine interessanten Antworten, Franziska! Ich wünsche Dir für die Zukunft viel Erfolg, Gesundheit und viele weitere unvergessliche Laufmomente. Keep on running!