Interview: Der Deutsche Meister im 6-Stundenlauf Adam Zahoran im neuesten „Unter Uns-Interview“...

Hi Lauffreunde! Der Deutsche Meister im 6-Stundenlauf Adam Zahoran hat mir im neuesten „Unter Uns-Interview“ einige sehr interessante Fragen beantwortet. Vor wenigen Wochen ist Adam beim 'West Highland Way Race', Schottlands härtesten Ultramarathon mit 154 Kilometern und 4500 Höhenmetern, als Zweiter ins Ziel gekommen. Eine Wahnsinnsleistung! Im Interview berichtet er über seinen persönlichen Saisonhöhepunkt und die Zeit danach. Ferner spricht er über mentale Stärke beim Ultramarathon und zeigt, wie er sich auf den Frankfurt Marathon vorbereitet. Viel Spaß beim Lesen!

Adam beim West Highland Way Race / Bildquelle: Ian Minty
Adam beim West Highland Way Race / Bildquelle: Ian Minty

Ideale Gerade: Das 'West Highland Way Race', Schottlands härtester Ultramarathon mit 154 Kilometern und 4500 Höhenmetern, liegt nun einige Wochen zurück. Denkst Du noch oft an Deinen persönlichen Saisonhöhepunkt zurück?
 
Adam: Absolut. Immer. Das war ein Erlebnis für die Ewigkeit. Laufen ist wie eine Achterbahn. Es gibt viele Tiefs, aber auch sehr viele schöne Momente. Wenn alles super läuft, dann braucht man sich keine Gedanken machen. Jedoch ist es so, wenn man Motivationsprobleme, schlechte Tage oder einfach Trainingseinheiten hat, die schief gelaufen sind, dann sind die positiven Erlebnisse der Vergangenheit immer sehr motivierend. Und das West Highland Way Race war ein sehr motivierendes Rennen für mich.
 
Der Dokumentarfilm über das West Highland Way Race ist am 2. Oktober in der sogenannten Adventure Show des britischen Fernsehsenders BBC 1 veröffentlicht worden. Mittlerweile ist der Film auch über Youtube verfügbar. Den Film habe ich mir bereits 4x angeschaut und jede Minute hat mich sehr berührt.

Ideale Gerade: Du bist nach 15 Stunden, 32 Minuten und 19 Sekunden nach dem Lokalmatador James Stewart als Zweiter ins Ziel gekommen. Eine Wahnsinnsleistung! Was war das für ein Gefühl, als Du die Ziellinie überquert hast?
 
Adam: Danke! Erstmal war es für mich wie alle anderen Läufe. Ich hatte eine tolle Vorbereitung, ein super Team, ein besonders spannendes Rennen. Ich hatte viele „Todespunkte“ und noch mehr Schmerzen. Ich habe es geschafft, was ich mir schon vor knapp 10 Jahren als Hauptziel gesetzt hatte. Das war erstmal wie Arbeit pur: „Ich gehe also ins Büro rein, um 8 Uhr, mache alles richtig und gut, und um 17 Uhr ist es Feierabend. Dann gehe ich glücklich und zufrieden heim."
 
Die richtigen Gefühle kamen aber erst ein paar Tage später. Seitdem sage ich einfach: Die Schmerzen vergehen mit der Zeit und meistens bleiben nur die wichtigen und schönen sowie tiefgreifenden Erinnerungen übrig. Und die rationale Wahrnehmung wird von den Emotionen überwunden und dann sieht man das Ganze, wie man es betrachten muss: Das war einer der für mich bewegendsten und wichtigsten Läufe meines Lebens. Immer, wenn ich mir diesen Film anschaue, bekomme ich Gänsehaut und Motivation, neue Herausforderungen zu suchen.

Adam beim West Highland Way Race / Bildquelle: Ian Minty
Adam beim West Highland Way Race / Bildquelle: Ian Minty

Ideale Gerade: Mentale Stärke und emotionale Intelligenz sind beim Ultramarathon erfolgsentscheidend. Wie hast Du Deinen Kopf auf diese Herausforderung vorbereitet?
 
Adam: Erstmal über die Vorbereitung selbst: Die Vorbereitung lief zwar optimal, was die Streckenlänge, das Zeitfenster und die Abschnitte in der Nacht anbelangt. Ich hatte viele lange Einheiten. Nach der Deutschen Meisterschaft im 6-Stundenlauf mit knapp 88 Kilometern hatte ich viele Bergtrainings und Trainingseinheiten zwischen 60 und 110 Kilometern. Außerdem habe ich meine Ernährung Anfang des Jahres komplett umgestellt. Durch die Zusammenarbeit mit der Laufexpertin Julia Emmler habe ich meine Ernährung auf Kohlenhydratekarenz umgestellt, um einfach Gewicht zu machen sowie stabiler zu werden, was Blutzucker-Schwankungen angeht. Ich muss sagen, dass dies eine super Erfahrung war, was machbar aus dem Fettspeicher heraus ist, wenn der Körper sich mal umgestellt hat. Zugegebenermaßen war ich früher eher der „Kohlenhydrat-Junkie" (viel Pizza, Leberkäsbrötchen). Außerdem habe ich mehrere Lauftechniktrainings absolviert, um meine Bewegungsabläufe zu ökonomisieren. Dazu habe ich drei- bis viermal pro Woche Rumpfstabilisationsübungen in das Training eingebaut. Was leider unmöglich war, ist die Vorbereitung auf die technische Untergrundqualität des Rennens. Ich wohne in Bamberg, mitten in Franken. Die Hügellandschaft des Steigerwaldes und der Fränkischen Schweiz hat mir zwar dabei geholfen, mich auf das Höhenprofil des West Highland Way Race einzustellen. Jedoch war eine Vorbereitung auf die kilometerlangen, geröllartigen Abschnitte in unserer Region eher nicht machbar.
 
Was die mentalen Aspekte der Vorbereitung angeht, war alles einfacher. Ich wusste, dass ich viel und schnell laufen kann. Mir war auch klar, dass das West Highland Way Race als eine offene Rechnung gilt. Vor knapp zehn Jahren habe ich erstmals von diesem Rennen gehört und es mir sofort als Hauptziel gesetzt. Im Jahr 2009 wollte ich bereits starten, doch musste ich meine Teilnahme verletzungsbedingt absagen. Jahrelang musste ich erstmal um eine vollständige Heilung und anschließend um ein richtiges Comeback kämpfen. Erst letztes Jahr hatte ich wieder das Gefühl: "Ich bin besser als je zuvor und jetzt kann ich das versuchen...das West Highland Way Race...eine Art offene Rechnung." Außerdem habe ich sehr viel Zeit und Kraft in die Vorbereitung und natürlich in den Wettkampf selbst investiert. Darüber hinaus hatte ich drei tolle Betreuer dabei. Mit meinem Sponsor Floth Projektentwicklung war ich finanziell entlastet. Natürlich hatte ich direkt seit Anfang des Jahres mehr Motivation als je zuvor. Allerdings darf man nicht vergessen, dass man trotz einer richtigen Kopfeinstellung immer wieder mit Tiefs und mit möglichen Ausstiegen rechnen muss. Während des Rennens war es auch nicht anders. In Anbetracht der o.g. Hintergründe war für mich eine Aufgabe über die ganze Zeit jedoch unvorstellbar.

Szene West Highland Way Race / Bildquelle: BBC The Adventure Show
Szene West Highland Way Race / Bildquelle: BBC The Adventure Show

Ideale Gerade: Konntest Du Dich in den letzten Wochen wieder gut erholen? Hast Du auch mal die Füße hochgelegt und bist nicht gelaufen?
 
Adam: Die Erholung hat lang gedauert. Das war einer der härtesten Läufe meines Lebens mit vielen Schmerzen am Ende. Nach einem Marathon reicht mir eine Woche Pause. Nach einem 6-Stunden oder 100-Kilometerlauf brauche ich 2-3 Wochen Ruhe und dann kann ich meine Vorbereitung wieder anfangen. Nach dem West Highland Way Race war ich zwar körperlich relativ schnell erholt, aber die mentale Erschöpfung spüre ich immer wieder. Wobei das Rennen vor knapp 4 Monaten stattgefunden hat. Seitdem hatte ich einen einzigen Ultramarathon, und zwar den Ottonenlauf Trail. Das Rennen habe ich mit deutlichem Abstand gewonnen. Trotzdem habe ich immer noch das Gefühl, dass ich weder mental noch körperlich so fit wie im Frühling bin, eben vor dem West Highland Way Race.

Adam holt alles aus sich raus! Bildquelle: www.kuckuckslauf.de
Adam holt alles aus sich raus! Bildquelle: www.kuckuckslauf.de

Ideale Gerade: Du hast mir verraten, dass Du am 30. Oktober beim 'Frankfurt Marathon' starten wirst. Wirst Du trotzdem eine neue Bestzeit auf der Marathondistanz anvisieren?
 
Adam: Ja, richtig. Am 30. Oktober möchte ich in Frankfurt starten. Ich habe einige harte Tempoeinheiten absolviert (20x 400m, 10x 1000m, 3 km schnell, 10 km moderat und zum Schluss wieder 3 km schnell). In dieser Woche hatte ich 3x 3000 m (3:20er Schnitt) und einmal 2x 5000m im 3:25er Schnitt. Außerdem habe ich ein paar lange Einheiten gemacht (30-40 km mit Endbeschleunigung – z.B. 5 km in 17:30). Vor zwei Wochen bin ich sogar eine neue Bestzeit (34:05) über 10 km gelaufen. Trotzdem muss ich ehrlich sagen, dass es leider nicht so perfekt läuft. Es gibt immer wieder Einheiten, die ich abbrechen muss. Eine Marathon-Vorbereitung fällt mir einfach viel härter, als ein Ultramarathon-Training. Eine Ultramarathon-Vorbereitung ist für mich mit vielen Meditationen (Gedanken sortieren) und Philosophie verbunden. Bei einem Marathon-Training sind diese Faktoren einfach nebensächlich. Das ist hingegen pure, harte Arbeit. Deswegen starte ich zwar in Frankfurt, bin aber eher skeptisch, ob ich da eine neue PB laufen kann. Marathon ist nicht so ganz mein Ding. Ich mag eher die langen Quälereien.
 
Ideale Gerade: Wie kann man sich Deine Marathonvorbereitung im Moment vorstellen? Wie oft bzw. wie viel trainierst Du pro Woche?
 
Adam: Ich trainiere 4-5x in der Woche. Meistens habe ich zwei Tempoeinheiten und einen langen Lauf mit Endbeschleunigung. Der Umfang beträgt um die 100 Kilometer. Zwar könnte es theoretisch etwas mehr sein, ich bin aber fest davon überzeugt, dass man für einen Marathon nicht so wahnsinnig viele Wochenkilometer braucht. Viel wichtiger sind die Tempoeinheiten. Zugleich befinde ich mich derzeit 2x in der Woche in einem Bamberger Fitness-Studio, um an meiner Rumpfstabilität zu arbeiten.

Mit Vollgas ins Ziel. Bildquelle: www.kuckuckslauf.de
Mit Vollgas ins Ziel. Bildquelle: www.kuckuckslauf.de

Ideale Gerade: Was ich mich schon oft gefragt habe: Welche Laufschuhe trägst Du vorwiegend?

Adam: Früher habe ich die Produkte von fast jedem Hersteller ausprobiert. Bei manchen habe ich leider sehr üble und langfristige Plantarfaszien-Beschwerden bekommen. Seit Anfang des vergangenen Jahres laufe ich nur noch mit Saucony. Mit deren Produkten bin ich sehr zufrieden. Sie sind nicht nur bequem sondern gelten als Grundlage für eine verletzungsfreie Vorbereitung. Saucony hat sehr viele Laufschuhe im Angebot. Um die richtigen Schuhe zu finden, bekomme ich immer professionelle Beratung vom "Sport Wagner" in Bamberg.
 
Ideale Gerade: Aktuell möchtest Du an der Grundschnelligkeit feilen. Wie genau machst Du das?
 
Adam: Genau. Ich bin der Meinung, dass es viel einfacher ist, eine gute Grundgeschwindigkeit zu haben und dann mit einer konsequenten Vorbereitung auf die Ultramarathon-Ausdauer zu arbeiten als umgekehrt. Das merke ich besonders seit dem West Highland Way Race. Vor dem West Highland Way Race hatte ich erstmal einen Silvesterlauf (10 km unter 34:28). Dann den Würzburger Gedächtnislauf (45 km unter 2:49:00), anschließend die 6H-DM (mit knapp 88 km) und zum Schluss den West Highland Way Race (154 km mit knapp 5000 Höhenmetern). So sieht es meiner Meinung nach perfekt aus, mit der Vorbereitung und der Wettkampfplanung. Wenn man aber einen Extremlauf vorhat, ist es dann meistens sehr schwierig die Grundgeschwindigkeit für kürzere Ultras wieder aufzubauen. Mir zumindest fällt es viel schwerer als andersrum.
 
Ideale Gerade: Welche Ziele und Träume hast Du 2016 und 2017? Wo wird man Dich laufen sehen?
 
Adam: Nächstes Jahr möchte ich noch schneller sein. Ob mir das gelingt, ist es eine offene Frage. Als wir vor etwa einem Monat geschrieben haben, hatte ich mir die Deutschen Meisterschaften im 6-Stunden und 100-km-Lauf als Hauptziel gesetzt. Mittlerweise tendiere ich viel mehr zu Extremläufen (ich meine, extrem-lange Läufe). Im Februar möchte ich einen 100-Meilen Trail in Amerika mitmachen und im Juni wieder in Schottland beim West Highland Way Race starten. Wenn ich noch Kraft habe, würde ich mich wieder gerne an der Deutschen Meisterschaft im 6-Stundenlauf beteiligen, um meinen zweifachen Meistertitel zu verteidigen. Außerdem würde ich im Herbst noch einen 100er Lauf gerne mitmachen, damit ich endlich mal eine Zeit unter 7 Stunden schaffe. Bei der Wettkampfplanung ist noch alles mit vielen Fragezeichnen verbunden. Sicher ist aber: Wenn ich all diese vier Läufe entsprechend meiner Vorstellung absolvieren kann, dann bin ich mehr als zufrieden. Und dann reicht es schon. Das wird dann ein sehr erfolgreiches Jahr für mich, viel mehr sogar als in den letzten Jahren. Doch all meine Ziele sind nicht nur zeit- und kraftaufwendig, sondern finanziell auch sehr belastend. Diese Hauptziele wären einfach unvorstellbar für mich, wenn die Floth Projektentwicklung nicht als ein starker und begeisterter Exklusiv-Sponsor hinter mir stehen würde.

Das war ein äußerst interessantes Interview, Adam. Vielen herzlichen Dank für die zahlreichen spannenden Einblicke. Für die Zukunft wünsche ich Dir weiterhin so viel Tatendrang, vor allem Gesundheit und viel Freude am Laufen. Wir sehen uns dann beim Marathon in Frankfurt!