Interview: Ultra-Marathonläufer Adam Zahoran hat den Taubertal 100-Meilenlauf gewonnen. Ich habe ihn befragen dürfen...

Hi Lauffreunde! «Das war ein Lauf der Superlative!» Vor wenigen Wochen hat Adam Zahoran den Taubertal 100-Meilenlauf gewonnen. Das waren ca. 161 Kilometer von Rothenburg nach Gemünden in sagenhaften 13:53:00 Stunden! Ich habe dem sympathischen Ultra-Marathonläufer wieder einige interessante Fragen für ein «Unter Uns-Interview» stellen dürfen. Herausgekommen ist ein überaus lesenswertes Interview mit einer großen Portion Tiefgang. Ich wünsche Euch nun viel Spaß beim Lesen!

Läuft wie eine Maschine! Bildquelle: Adam Zahoran
Läuft wie eine Maschine! Bildquelle: Adam Zahoran

Ideale Gerade: Eine gigantische Leistung! Du hast vor wenigen Wochen den Taubertal 100-Meilenlauf gewonnen. Das waren ca. 161 Kilometer von Rothenburg nach Gemünden in sagenhaften 13:53:00 Stunden. Mal ehrlich: Hast Du das bereits vollends realisiert?

Adam: Dankeschön! Mit meiner Leistung war ich sehr zufrieden. Ich habe alles gegeben, um meine Ziele zu erreichen. Und das ist mir gelungen. Anschließend konnte ich tagelang nur rückwärts die Treppe runterlaufen. Das übliche Drehbuch, genauso wie nach jedem Wettkampf. Die riesige mentale Erschöpfung wie nach dem letztjährigen „West Highland Way Race“ (dazu gab es ein Interview), die anschließend sogar zu einem läuferischen Burnout führte, hatte ich diesmal allerdings nicht. Kurz nach dem Taubertal 100 war ich wieder hoch motiviert und habe mir neue Ziele gesucht. Am Samstagabend, nach meinem Zieleinlauf habe ich meinen Sieg mit meinem Betreuerteam ordentlich gefeiert und dann am Montag wieder ganz normal gearbeitet. Ich war nicht so richtig alleine mit meinen Gedanken wie sonst. Trotzdem ist es mir gelungen, all meine Gefühle in einer relativ kurzen Zeit erfolgreich zu sortieren.

Liebt „Punkt zu Punkt“-Ultraläufe! Bildquelle: Adam Zahoran
Liebt „Punkt zu Punkt“-Ultraläufe! Bildquelle: Adam Zahoran

Ideale Gerade: Vor einigen Monaten war an das Laufen jedoch nicht zu denken. Gips und Krücken - Deine Ferse war angebrochen - musstest Du zeitweise hinnehmen. An die damit verbundenen Schmerzen gar nicht zu denken. Hast Du selbst an diesen Erfolg geglaubt?

Adam: Nach einem Fersenbeinbruch Anfang des Jahres musste ich monatelang pausieren. Der Neuanfang konnte erst im Juni, fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem „West Highland Way Race“ gestaltet werden. Zwar war ich zu diesem Zeitpunkt körperlich noch vollkommen unfit, doch mental war ich sehr stark und hoch motiviert. In Gesprächen mit meinem Trainer Volkmar Scholz wurden behutsam kommende Ziele angedacht. Doch es gab immer wieder nur eine Aussage: „Taubertal 100 und zwar die 100 Meilen!" Zu diesem Zeitpunkt erschien dies jedoch völlig illusorisch, da bis zum Start im Oktober gerade einmal 5 Monate Vorbereitungszeit für 160,9 Wettkampfkilometer verblieben. Die Muskulatur war durch die monatelange Teilentlastung bzw. Schonung und durch das Krückenlaufen abgeschwächt. Laufspezifische Bänder, Sehnen und Gelenke sowie die Ferse mussten erst wieder eingelaufen werden. Meine erste Laufeinheit nach der Verletzungspause betrug knapp 5 km mit einem lang anhaltenden Phantomschmerz. Anfangs hatte ich viel Angst, weil sich ein Fersenbeinbruch doch um eine äußerst ernsthafte Angelegenheit handelt. Ich wusste nicht, ob ich irgendwann mal wieder beschwerdefrei laufen kann. Das war mental besonders schwer. Erst im Juli habe ich gemerkt, dass alle Restbeschwerden mittlerweile Vergangenheit sind. Je näher der Wettkampf rückte und je mehr lange Einheiten ich absolvierte, desto mehr habe ich an meinen Erfolg geglaubt. Doch aufgrund der Zwangspause und der kurzen Vorbereitungszeit habe ich nicht daran geglaubt als einer der Hauptfavoriten antreten zu können.

Ideale Gerade: Der Taubertal 100 gilt als ganz besonderer "Punkt zu Punkt"-Ultralauf. Alternativ lassen sich auch 100 km, 71 km und 50 km absolvieren. Wie hast Du die Organisation, Strecke und Atmosphäre empfunden?

Adam: Die Engländer sagen so schön: „Nothing less than fantastic!“  Ich liebe „Punkt zu Punkt“-Ultraläufe. Da sieht man immer wieder was Neues. Das Tauber- und Maintal mit seinen schnuckeligen, mittelalterlichen Dörfern und Städtchen sowie imposanten Weinbergen sind wahre Schatzkästchen und bieten eine unvergessliche Kulisse und eine hervorragende Abwechslung, was in jedem einzelnen schweren Moment eine große Entlastung war. Nach Bad Mergentheim (50 km) war ich mit meinem Radbegleiter viel alleine, aber es gab viele Zuschauer, Radfahrer und begeisterte Anwohner, die mich ständig aufgemuntert haben. Das hat mir unheimlich geholfen. Genauso beeindruckt war ich von der perfekten Organisation und von den einwandfreien Angeboten jedes einzelnen Checkpoints. Nach dem Ausstieg meines Hauptgegners, Jan-Albert Lantink, hatte ich einen Führungsfahrer. Wir haben die letzten 50 km einfach durchgequatscht. Er ist Bauträger und ich bin im Ingenieurbüro Gartiser, Germann & Piewak GmbH als Baugrund-Gutachter angestellt. Wir hatten sofort ein gemeinsames Thema. Wir haben allerdings über viele Sachen gesprochen. Für seine angenehme Gesellschaft und Gesprächsbereitschaft war ich äußerst dankbar. Das war nämlich eine perfekte Ablenkung, genauso wie die wunderschöne Landschaft und die Aufmunterung durch verschiedene Zuschauer. Das war ein Lauf der Superlative!

Verfügt über eine große mentale Stärke! Bildquelle: Adam Zahoran
Verfügt über eine große mentale Stärke! Bildquelle: Adam Zahoran

Ideale Gerade: Du bist ein Meister der Selbstmotivation! Wie wichtig waren diesmal Faktoren wie mentale Stärke, Selbstbewusstsein und Selbstreflektion?

Adam: Meine Vorbereitung endet immer zwei Wochen vor dem Wettkampf und danach ist Tapering angesagt. In dieser Übergangsphase bin ich fest davon überzeugt, meine Vorbereitung sowohl körperlich als auch mental gut gestaltet zu haben. Allerdings hält diese Phase nicht so lange an. Je näher der Wettkampf rückt bzw. je länger ich auf harte Einheiten verzichte, desto mehr sinkt dieses Gefühl des Selbstbewusstseins. Bereits 3-4 Tage vor dem Start beginnen die Selbstzweifel und ich fange an mich zu fragen, ob ich genug trainiert habe bzw. ob ich überhaupt 10 km absolvieren kann, geschweige denn so eine lange Strecke wie 161 km. Der Tag vor dem Race-Day ist einfach das Schlimmste. Da will ich einfach alleine sein, niemanden sehen und gar nicht reden. Aber schlussendlich ist das ein Zeichen des Respekts gegenüber dem Gegner und vor allem der Strecke. Das ist, was man im Vorfeld unbedingt benötigt.

Nach dem Start sind die ersten Stunden sehr wichtig. Da muss man erst mal seinen optimalen Rhythmus finden. Hierfür sind ein klarer Kopf sowie eine geduldige, konsequente Art zwingend notwendig. Bei dem Taubertal 100 hat diese Phase bis ca. 30 km gedauert. Danach musste ich einfach in diesem Rhythmus bleiben. Erst nach Wertheim (100 km) ist die Bedeutung der mentalen Stärke immer größer geworden. In diesem Rennabschnitt habe ich, genauso wie bei vielen anderen Läufen diverse „Kopfspiele“ eingesetzt. Beispielsweise in Lohr am Main habe ich auf keinen Fall daran gedacht, bei 140 km gewesen zu sein bzw. insgesamt 161 km laufen zu müssen. Bei so einer Erschöpfung sind solche Zahlen einfach erschreckend. Ich habe mir bloß gesagt: „Ich habe noch 21 Kilometer zu laufen. Könnte ich das schaffen, wenn ich bedingt durch eine Vorbelastung (z. B. ein hartes Training am Tag vorher) einen Muskelkater hätte und könnte ich dann damit eine 21 km lange Trainingseinheit schaffen?“ Die Antwort ist immer klar: „Selbstverständlich! Weiter geht's!“ Und dann stelle ich mir vor, dass ich eine meiner bekannten Trainingsstrecken laufe. Denn auf einer bekannten Strecke fällt es mir immer leichter, Schwierigkeiten zu überwinden bzw. solche Herausforderungen zu bewältigen. Theoretisch sind die Wettkampfstrecken zwar meistens unbekannt, aber mit einer großen Vorstellungskraft kommt doch alles bekannt vor. 😊 

Ideale Gerade: Ein Motor braucht bekanntlich Treibstoff: Wie hast Du Dich im Rennen ernährt bzw. was hast Du größtenteils getrunken?

Adam: Ernährungstechnisch bin ich wohl einer der schrägsten Charaktere der Ultramarathon-Szene. Eines meiner Vorwettkampfrituale ist: Drei Bier am Abend vor dem Wettkampf. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das hilft mir, die Glykogenspeicher aufzufüllen und gleichzeitig sorgt das für Entspannung, die für den erforderlichen Schlaf (lang und ruhig) wichtig ist. Zwei Stunden vor dem Rennen esse ich meist zwei Sandwiches, die ich zu dieser Uhrzeit nur von der Tankstelle holen kann. Solange ich feste Nahrungsmittel zu mir nehmen kann (meistens bis 100 km), esse ich während des Rennens Salami, Käse, Aufschnitt, Pizza oder eben einen Döner. Erst wenn ich merke, kaum mehr kauen oder nicht mehr verdauen zu können, wechsle ich auf Kohlenhydrate-Gels und Maltodextrin-Flüssigkeiten. Bei 100 km trinke ich immer ein Bier. Nicht mehr, und auch nicht früher. Die üblichen Verpflegungen dürfen aber auch nicht fehlen: Bei solchen Wettkämpfen nehme ich in jeder 2. Stunde Magnesium und Salztabletten zu mir und trinke dazu Elektrolyt. Beim Taubertal 100 war es auch nicht anders. Trotz dieser abgefahrenen Ernährung scheint sie doch zu funktionieren…oder vielleicht habe ich einfach einen großen Saumagen?!

Ritterschlag inklusive! Bildquelle: Adam Zahoran.
Ritterschlag inklusive! Bildquelle: Adam Zahoran.

Ideale Gerade: Das Training für einen 100-Meilenlauf war sicherlich äußerst spezifisch. Wie lange hast Du Dich darauf vorbereitet? Welche Umfänge hast Du pro Woche absolviert?

Adam: Der erste richtige 10 km-Lauf konnte erst im Juli realisiert werden. Ab da war ich allerdings nicht mehr zu halten. Um auf die dringend benötigten langen Trainingskilometer zu kommen, wurden die Pausen für den Stützapparat komplett als Regeneration eingebaut. So war es möglich innerhalb von zwei Monaten 15 x 30 km, 1 x 48 km, 2 x 50 km, 1 x 70 km und 1 x 50-Meilen (80,45 km) im Training zu laufen, wobei fahrtenspielmäßig das Wettkampftempo imitiert wurde. Ich hatte nicht so viele Wochenkilometer. Anstatt Quantität habe ich auf Qualität geachtet. Trotz der verletzungsbedingten, langen Zwangspause und der kurzen aber qualitativen Vorbereitung habe ich es hinbekommen, wieder gut in Form zu kommen.

Ideale Gerade: Für einen Lauf dieser Kategorie braucht es besonderes Schuhwerk. Welche Schuhe hattest Du im Einsatz?

Adam: Seit mehreren Jahren laufe ich mit Laufschuhen von Saucony. Entsprechend den Ergebnissen verschiedener Laufanalysen bieten bestimmte Modelle dieses Herstellers die optimale Stützung für mich. Außerdem finde ich sie generell sehr bequem. Aufgrund der großen Anzahl meiner Trainings- und Wettkampfkilometer brauche ich durchschnittlich sechs Paar pro Jahr. Jeder der läuft, weiß genau, wie viel solche Laufschuhe kosten. Glücklicherweise bekomme ich von Saucony und vom Bamberger Sportgeschäft Sport Wagner nicht nur eine professionelle Beratung, sondern auch eine finanzielle Unterstützung. Zur Verwirklichung der Pläne sind solche Hilfen genauso wichtig, wie das Training selbst. 

Hat 2018 viel vor! Bildquelle: Adam Zahoran.
Hat 2018 viel vor! Bildquelle: Adam Zahoran.

Ideale Gerade: Hast Du schon Pläne für das nächste Jahr? Was können wir von Dir erwarten?

Adam: Ja, der konventionelle Ablauf meiner Wettkampfplanung beginnt kurz nach dem letzten Rennen der Saison. Zunächst werden im Rahmen dieser Planphase alle reizvollen Wettkämpfe ausgesucht und auf einem Zettel notiert - mit Angaben zum Datum, Ort sowie zur Streckenlänge. Erst nach einer ausreichenden Auswahl an Wettkämpfen überlege ich mir, welche Läufe in meinen Kalender eingetragen werden sollten bzw. auf welche ich aus finanziellen, logistischen und terminlichen Gründen lieber verzichten sollte. Nach aktuellem Kenntnisstand soll der Würzburger Gedächtnislauf der erste Wettkampf des Jahres sein. Etwa zwei Wochen später möchte ich den Glasgow-Edinburgh-Double-Marathon mitmachen. Die Gastfreundlichkeit sowie die sportliche Art und Weise der Schotten fand ich bereits vor anderthalb Jahren, bei dem „West Highland Way Race“ sehr beeindruckend. Aus diesem Grund würde ich nächstes Jahr gerne wieder in Schottland laufen, diesmal jedoch den Glasgow-Edinburgh-Double-Marathon. Anschließend würde ich mich gerne an der Deutschen Meisterschaft im 6-Stundenlauf beteiligen, vorausgesetzt, dass ich als ungarischer Staatsbürger (mit deutschem Wohnsitz und deutschem Verein) nach wie vor als Deutscher bewertet werde. Die Deutsche Meisterschaft im 24-Stundenlauf würde mich auch reizen. Zwar hatte ich bisher keine besonderen Erfolge über 24-Stunden (irgendwie hat es nie so richtig geklappt), doch seit dem Taubertal 100 denke ich mir, dass ich mittlerweile auch für solche langen Strecken „reif“ genug sein sollte. Darüber hinaus würde ich gerne einen offiziell vermessenen 12-Stundenlauf mitmachen. Ziele gibt es also genug. Ab jetzt muss ich eher darauf achten, dass ich demnächst eine kontinuierliche und verletzungsfreie Vorbereitung beginnen bzw. durchführen kann.

Übrigens: Hier noch ein besonderes Video, etwa eine Woche vor meinem 100-Meilenlauf. Pete Lincoln von "Sweet" hat mir alles Gute gewünscht und sogar einen Song gespielt: https://tinyurl.com/y7s4yqqb


Vielen herzlichen Dank für Deine Zeit und die ausführlichen Antworten, Adam. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg, Spaß und vor allem Gesundheit! Du bist eine Maschine! Mach weiter so und bis bald. :-)